Alltag im 20. Jahrhundert. Zeitzeugen aus Thüringen erzählen.
Kurzinhalt:
Im folgenden Themenkomplex kann nur das alltägliche Leben in der sowjetischen Besatzungszone beschrieben werden. Die Verwaltung des Lebens in der sowjetisch besetzten Zone, zu der Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg gehörten, erfolgte durch die sowjetische Militäradministration (SMAD). Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen von der schwierigen Ernährungssituation, von der Rückkehr der Männer aus sowjetischer oder amerikanischer Kriegsgefangenschaft, von der Demontage der Zeiss- und Schott-Werke in Jena (Herbst 1946 – April 1947), von der „Aufbauarbeit“ nach der Bombardierung Jenas und Weimars und von der Zusammenarbeit deutscher Kommunalverwaltungen mit der Sowjetischen Militäradministration.
Produzent Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK, e.V.) Jena, vertreten durch Torsten Cott und Dietmar Ebert in Kooperation mit dem Offenen Hörfunkkanal Jena e.V.
Herausgeber Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien Heinrich- Heine-Allee 2-4 99438 Bad Berka www.thillm.de www.schulportal-thueringen.de
Inhalt Am 7. Mai 1945 erfolgte die bedingungslose Kapitulation Deutschlands gegenüber den Alliierten Siegermächten (Sowjetunion, USA, Großbritannien, Frankreich); die ratifizierte Kapitulationsurkunde wurde von Generalfeldmarschall Keitel am 8./9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst unterzeichnet. Damit war der Alliierte Kontrollrat für alle politischen, militärischen und gesellschaftlichen Angelegenheiten des Deutschen Reiches zuständig. Auf der Potsdamer Konferenz, die vom 15. Juli bis zum 2. August 1945 im Schloss Cäcilienhof stattfand, wurde endgültig die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen, eine sowjetische, eine amerikanische, eine britische und eine französische, beschlossen. Die bisherige Hauptstadt Berlin wurde analog dazu in vier Sektoren geteilt und unter die Aufsicht des Alliierten Kontrollrates gestellt. Im folgenden Themenkomplex kann nur das alltägliche Leben in der sowjetischen Besatzungszone beschrieben werden. Die Verwaltung des Lebens in der sowjetisch besetzten Zone, zu der Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg gehörten, erfolgte durch die Sowjetische Militäradministration (SMAD). Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen von der schwierigen Ernährungssituation, von der Rückkehr der Männer aus sowjetischer oder amerikanischer Kriegsgefangenschaft, von der Demontage der Zeiss- und Schott-Werke in Jena (Herbst 1946 – April 1947), von der „Aufbauarbeit“ nach der Bombardierung Jenas und Weimars und von der Zusammenarbeit deutscher Kommunalverwaltungen mit der Sowjetischen Militäradministration. Hanna de P., Büroangestellte im Jenaer Glaswerk schildert die schwierige Ernährungssituation nach 1945. Sie erzählt, wie sie mit ihren Eltern, ihrer Schwester und ihrem kleinen Sohn auf die um Jena liegenden Dörfer ging, wie sie Ähren lasen und auf abgeernteten Feldern „Kartoffeln stoppeln“ gingen. So versuchten viele Menschen in der damaligen Zeit sich zu helfen. Hunger war ihr ständiger Begleiter. Trotzdem sagten nicht wenige, lieber hungern, als im Krieg leben zu müssen. Gerhard K. war im Juni 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft nach Jena zurückgekehrt. Er begann wieder im Zeiss-Werk zu arbeiten. Bereits im Juni 1945 hatten sich die amerikanischen Besatzer Patente und Unterlagen des Zeiss-Werkes gesichert und in die amerikanische Besatzungszone gebracht. Die „erste Garnitur“ von Zeiss-Wissenschaftlern und –Mitarbeitern wurde von ihnen mit in die amerikanische Besatzungszone genommen. Die SMAD ließ zunächst weiter produzieren, ehe im Rahmen der Operation „Osoaviakhim“ in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober 1946 275 Zeissianer und 15 Schottianer den Befehl erhielten, teils mit, teils ohne Familie in der Sowjetunion zu arbeiten. Sie kehrten erst 1952 oder 1953 zurück. Unmittelbar nach der Zwangsverpflichtung dieser Zeissianer begann die Demontage der Stiftungsbetriebe „Zeiss“ und „Schott“. Gerhard K. erzählt, wie in seiner damaligen Abteilung Diamanten gerettet wurden, die zu Bohr- und Schleifarbeiten beim Wiederaufbau des Zeiss-Werkes von hohem Wert waren. Rolf W. schildert, wie er und seine Kollegen das Konstruktionsbüro bei Zeiss demontieren mussten, und selbst Sanitäreinrichtungen und Abflussrohre voller Fäkalien demontiert, verpackt und in die Sowjetunion verschickt worden. Max T. und Heinz S. haben die Demontage im Jenaer Glaswerk Schott & Gen. erlebt. Max T. musste Kisten bauen, in denen die demontierten Maschinen als Ganzes oder in Einzelteile zerlegt, verpackt wurden. An die Kisten wurden Kufen montiert, die Kisten wurden zum Jenaer Westbahnhof gezogen und dort per Kran verladen. Heinz S. erzählt, dass auch alle Fahrzeuge und Geräte der Betriebsfeuerwehr in die Sowjetunion geschickt wurden. Ein Tausch mit der städtischen Feuerwehr (neues Löschfahrzeug vom Glaswerk sollte gegen altes der städtischen Feuerwehr ausgetauscht werden) misslang.
Serienbeschreibung In der Serie "Zeitzeugen" kommen Personen zu Wort, die aus ihrem persönlichen Erleben berichten. Die originalen Schilderungen der Zeitzeugen werden dabei ggf. durch Begleitmaterial ergänzt.
Das Tonmaterial, aus dem die Beispiele entnommen sind, wurde in den Jahren 1993 bis 2001 aufgenommen. Innerhalb des Projektes „Erzählte Geschichte“, das im Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK e.V.) angesiedelt war, wurden innerhalb von acht Jahren biographische Interviews mit Pensionären der Zeiss- und Schott-Werke, mit Absolventen der ehemaligen Universitätsschule sowie mit Senioren in Weimar und Erfurt geführt. Der von ihnen erinnerte geschichtliche Zeitraum reicht vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur friedlichen Revolution 1989.
Anmerkungen
Didaktische Anmerkungen Fortsetzung Inhalt: Friedrich D. wurde vom Jenaer Glaswerk zur „Aufbauarbeit“ an das städtische E-Werk abgestellt und war an der Reparatur der Straßenbahngleise und des Oberleitungsnetzes beteiligt. Friederlene D. erzählt in zwei Textbeispielen von ihrem Bruder, der 1945 als Landrat in Weimar bzw. im Weimarer Land eingesetzt wurde und schildert seine Konflikte mit der SMAD und den deutschen Verwaltungsfunktionären in der Sowjetischen Besatzungszone. Hildegard C. erinnert sich an die Begegnung mit ihrem Mann, der aus sowjetischer Gefangenschaft nach Hause zurückgekehrte. Sie war noch mehr als 50 Jahre danach sehr bewegt, dass eine junge sowjetische Ärztin ihren Mann nicht zur Arbeit in der Landwirtschaft, sondern zur Entlassung eingeteilt hat. „Für diese Ärztin müsste ich jeden Abend beten, dass es der gut geht.“
Handhabung Im Zusammenschnitt sind die Zeitzeugen in folgender Reihenfolge zu hören:
Hanna de P., Gerhard K., Max T., Heinz S., Rolf W., Friedrich D., Friederlene D. (I), Friederlene D. (II), Hildegard C.
Fotos und ihre Quellen: Gerhard K., Quelle: privat Max T., Quelle: Unternehmensarchiv Schott Jenaer Glas GmbH Heinz S., Quelle: Unternehmensarchiv Schott Jenaer Glas GmbH Rolf W., Quelle: privat Friedrich D., Quelle: Unternehmensarchiv Schott Jenaer Glas GmbH Friederlene D., Quelle: Stadtarchiv Weimar Hildegard C., Quelle: privat
Wir danken allen Zeitzeugen und deren Nachkommen für die Erlaubnis, die historisch bedeutsamen Erzählungen über den Alltag in den Nachkriegsjahren 1945 – 1949 an dieser Stelle veröffentlichen zu dürfen. Ein ganz besonderes Dankeschön geht an Constanze Mann, die Leiterin des Jenaer Stadtarchivs, die uns durch wertvolle Recherchen und Hinweise sehr geholfen hat. Ebenso herzlich danken wir Frau Dr. Ute Leonhardt und Judit Hanft (Unternehmensarchiv Schott Jenaer Glas GmbH) und Herrn Dr. Jens Riederer (Stadtarchiv Weimar), die uns Fotografien von Zeitzeugen zur Verfügung gestellt haben.