In der Broschüre wird ein Thema der jüngeren Zeitgeschichte vorgestellt, das für Thüringen in besonderem Maß relevant ist. Die Zwangsaussiedlungen aus dem Grenzgebiet der Bezirke Erfurt, Gera und Suhl hatten über 5.000 Thüringer zu rechtlos Vertriebenen innerhalb des "ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden" gemacht. Mehr als 30 Ortschaften verschwanden von der Landkarte. Damit sich junge Menschen von heute mit diesem Kapitel DDR-Geschichte auseinander setzen können, muss sie allerdings auch bekannt und zugänglich sein. Das Schicksal der Zwangsausgesiedelten gehörte in den Jahren bis 1989 zu den totgeschwiegenen Menschenrechtsverletzungen in der DDR. Das Wissen über und vor allem das Interesse für diesen Terror des SED-Staates gegen Teile der eigenen Bürger war auch in der Bundesrepublik Deutschland kaum vorhanden.
Adressaten:
Allgemeinbildende Schule
Sachgebiete:
- Politische Bildung
- Geschichte -> Epochen -> Geschichte von 1945 bis 1990 -> Deutschland -> Deutsche Demokratische Republik 1949 - 1990
Die Zwangsaussiedlungen zählen zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte der ehemaligen DDR. Es handelte sich dabei um die gezielte Entvölkerung der Gebiete entlang der innerdeutschen Grenze. Diese Grenze war in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zur Nahtstelle zweier grundverschiedener Gesellschaftsysteme geworden. Anfang der 50er Jahre ging die politische Führung der gerade gegründeten DDR deshalb in einer groß angelegten Kampagne daran, die so genannte Demarkationslinie zur Bundesrepublik Deutschland zu „säubern“. Die Aktion begann im Mai 1952 mit der so genannten Aktion „Ungeziefer“. 1961 führte der Staat unter dem Decknamen „Kornblume“ abermals Zwangsaussiedlungen in großem Maßstab durch. Bei diesen und weiteren Aktionen verloren Tausende von Menschen ihre Heimat und wurden gegen ihren Willen in das Innere der DDR deportiert. Allein in Thüringen wurden nach vorliegenden Schätzungen 1952 ca. 3.500 und 1961 ca. 1.700 Betroffene zwangsausgesiedelt. Rund 30 Ortschaften und über 200 Einzelgebäude wurden entlang der damaligen innerdeutschen Grenze dem Erdboden gleichgemacht. Die Zwangsaussiedlung, die planmäßige Entvölkerung des Grenzgebiets, schuf die Voraussetzungen für das menschenverachtende Grenzregime der DDR. Und sie war selbst eine menschenunwürdige Maßnahme, die mit großer Rücksichtslosigkeit, zum Teil mit brutaler Gewalt durchgeführt wurde. Vom Unterdrückungsapparat der SED und der Stasi geheim gehalten, wurden Einzelheiten und die damit verbundenen menschenunwürdigen Begleitumstände erst nach der politischen Wende breiteren Bevölkerungskreisen bekannt. Aber immer noch wissen viele Menschen zu wenig über die Zwangsaussiedlungen Bescheid. Die vorliegende Broschüre will deshalb historische Aufklärungsarbeit zu diesem Thema leisten. Gerade jüngere Menschen sollten sich mit diesem Kapitel der Geschichte auseinander setzen, um zu erkennen, welches Leid Diktaturen verursachen können. Das ist die beste Möglichkeit, gegen jede Art von politischen Extremismus immun zu werden. Die Publikation ist Teil der Anstrengungen des Freistaats Thüringen nach Herstellung der deutschen Einheit, erlittenes Unrecht wieder gut zu machen. So hat die Landesregierung 1997 die bundesweit einmalige „Stiftung Zwangsausgesiedelten-Hilfe Thüringen“ errichtet, die besonders betroffene Opfer finanziell entschädigte. Doch soll damit kein Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen werden. Die vorliegende Broschüre will deshalb dazu beitragen, dass die Geschehnisse jener dunklen Jahre nicht in Vergessenheit geraten. Ich danke dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThIILM) sehr herzlich für das große Engagement bei der Recherche und Erarbeitung. Die Broschüre umfasst Material für Schulen, das unter anderem anhand von Einzelschicksalen die schlimmen Geschehnisse jener Zeit dokumentiert. So eröffnet sich ein lebendiger Eindruck auf Geschehnisse, von denen wir alle hoffen, dass sie sich nie mehr wiederholen.
Dr. Klaus Zeh Thüringer Minister für Soziales, Familie und Gesundheit