Alltag im 20. Jahrhundert. Zeitzeugen aus Thüringen erzählen.
Kurzinhalt:
Die Zeitzeugen Hilde R., Hildegard C. und Johannes F. erzählen über ihre Erlebnisse während der Inflationszeit 1923. Hilde R. und Johannes F. wohnten in Jena, Hildegard C. in Weimar. Das Gemeinsame ihrer Erzählungen ist die rasante Geldentwertung. Für Millionen-, Milliarden- oder Billionenscheine konnten sie nur Kleinigkeiten kaufen. Ihre Alltagsgeschichten vom Kauf eines Brotes, einer Haarspange oder eines Brötchens lassen ahnen, wie Menschen in dieser Zeit ihr Vermögen verloren haben und wie groß die Not für Familien mit Kindern war.
Adressaten:
Allgemeinbildende Schule,
Sonderpädagogische Förderung,
Kinder- und Jugendbildung,
Erwachsenenbildung,
Lehrerfort-und-weiterbildung
Sachgebiete:
- Geschichte
- Wirtschaft-Recht-Technik -> Wirtschaft
Produzent Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK, e.V.) Jena, vertreten durch Torsten Cott und Dietmar Ebert in Kooperation mit dem Offenen Hörfunkkanal Jena e.V.
Es sind folgende Fotos beigefügt: Hilde R. (Quelle: Privat) Hildegard C. (Quelle: Privat) Johannes F. (Quelle: Schott-Archiv) Für das Foto von Johannes F. mit der Quelle Schott-Archiv gilt: Die Bild darf nur für den angegebenen Zweck (Unterrichtseinsatz) verwendet werden. Nach der Verwendung sind die Bilddatei und alle Kopien zu löschen. Jede Verwendung für einen anderen Zweck bedarf der erneuten Genehmigung. Weitergabe an Dritte ist untersagt. Von jeder Form der Veröffentlichung erhält das SCHOTT Archiv ein Belegexemplar.
Herausgeber Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien Heinrich- Heine-Allee 2-4 99438 Bad Berka www.thillm.de www.schulportal-thueringen.de
Inhalt Über die Inflation im Jahr 1923 erzählen Hilde R. und Johannes F. aus Jena und Hildegard C. aus Weimar. Das biographische Interview mit Johannes F. wurde 1994 und das mit Hilde R. wurde 1996 von Sigrid Lichtenfeld und Dietmar Ebert geführt und tontechnisch dokumentiert. Baldur Haase hat beide Interviews akribisch transkribiert. Das ausführliche biographische Interview mit Hildegard C. hat Dietmar Ebert im Jahr 2000 geführt. Die Transkription hat Christina Poneleit besorgt. Alle drei Zeitzeugen erzählen von der rasanten Geldentwertung und welche Riesensummen Lebensmittel und Alltagsgegenstände kosteten. Hilde R. war zur Zeit der Inflation bereits eine junge Frau, die ihren Lebensunterhalt nach dem Tod des Vaters im Jenaer Zeiss-Werk verdienen musste. Sie erinnert sich, wie sie ein paar Ledergamaschen und eine Haarspange für Unsummen erworben hat. Für sie hat die Inflation, in der das Geld stündlich an Wert verlor, etwas „Verrücktes“. Johannes F. war zur Zeit der Inflation fast im Konfirmandenalter. In seiner Geschichte, wie er als Junge Kräuter gesammelt, verkauft und die dafür erhaltenen Fünfmarkstücke gesammelt und gehütet hat, die 1923 abrupt verfallen sind, schwingt die Enttäuschung darüber mit, dass aller Fleiß und alle Mühe, umsonst waren. Er erzählt die Geschichte mit so eindrucksvollen Details und einer so zugespitzten Pointe, als ob er sie schon oft seiner Frau, seinen Kindern und Enkeln erzählt hat. Hildegard C. ist in Weimar in einer gut bürgerlichen Familie aufgewachsen. Im Unterschied zu den Jenaer Arbeiterfamilien R. und F. war ihr Vater Forstbeamter im Thüringer Ministerium, und ihre Mutter entstammte der Deinhardt-Familie, die die Weimarer Brauerei besaß. Hildegard C. muss ein aufgewecktes Mädchen gewesen sein und erzählt, dass die Gitarrenlehrerin sich mit einem frischen Dreipfundbrot entlohnen ließ und ihre Mutter im Poseckschen Garten einen Geldschein fand, mit dem sie sofort Fleisch besorgt hat, aus dem ein Mittagsbraten für die Familie wurde. Diese beiden Geschichten wirken, als seien sie im Interview unmittelbar erinnert und erzählt wurden. Die Geschichte von „Kaufhildchen“ ist pointiert erzählt und weist eine feste narrative Form auf, Hildegard C. hat oft und gern erzählt, wie sie das Inflationsgeld (zwei Tanten aus Amerika hatten für jedes Kind einen Dollar geschickt und die Mutter hatte die Dollars in Inflationsgeld umgetauscht) sofort ausgegeben und was sie alles dafür bekommen hat, wie wenig ihre Schwester am nächsten Tag für dasselbe Geld bekommen hat; und dass ihr Bruder einige Tage später noch weniger bekommen hat. Diese Geschichte ist sogar in ihre „Hochzeitszeitung“ aufgenommen worden. Sie zeigt ganz plastisch, wie schnell das Geld verfiel, und wer nicht sofort handelte, dem zerrann das Geld unter den Fingern. Die sechs Geschichten zeigen in Schrift und Ton, dass die Inflation alle sozialen Schichten traf, niemand war ausgenommen, Industriearbeiter und städtisches Bürgertum waren in gleichem Maße betroffen.
Serienbeschreibung In der Serie "Zeitzeugen" kommen Personen zu Wort, die aus ihrem persönlichen Erleben berichten. Die originalen Schilderungen der Zeitzeugen werden dabei ggf. durch Begleitmaterial ergänzt.
Das Tonmaterial, aus dem die Beispiele entnommen sind, wurde in den Jahren 1993 bis 2001 aufgenommen. Innerhalb des Projektes „Erzählte Geschichte“, das im Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK e.V.) angesiedelt war, wurden innerhalb von acht Jahren biographische Interviews mit Pensionären der Zeiss- und Schott-Werke, mit Absolventen der ehemaligen Universitätsschule sowie mit Senioren in Weimar und Erfurt geführt. Der von ihnen erinnerte geschichtliche Zeitraum reicht vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur friedlichen Revolution 1989.