Alltag im 20. Jahrhundert. Zeitzeugen aus Thüringen erzählen.
Kurzinhalt:
Der Themenkomplex über das „Alltagsleben in der Weimarer Republik“ umfasst den Zeitraum vom 11. August 1919, der Verabschiedung der Weimarer Verfassung bis zum 30. Januar 1933, der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler. In Erzählungen von sechs Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden folgende Erinnerungen festgehalten: die Wahrnehmung der Weimarer Nationalversammlung aus der Sicht eines siebenjährigen Kindes, die Schulzeit in der Reform-Real-Abteilung am Wilhelm-Ernst-Gymnasium in Weimar, Erfahrungen mit privatem Musikunterricht in Weimar; die schwere Arbeit als Glasmacher im Jenaer Glaswerk Schott & Genossen, das Verhältnis der Arbeiter untereinander im Jenaer Zeiss-Werk; Heimabende und Fahrten innerhalb der Ernst-Abbe-Jugend in Jena; der Erwerb des „Radioführerscheines“ 1925 und die Montage der ersten Radio-Antennen in Jena, Arbeitersport in Jena, Sportfeste in Deutschland und die Arbeiter-Olympiade in Wien 1931.
Produzent Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK, e.V.) Jena, vertreten durch Torsten Cott und Dietmar Ebert in Kooperation mit dem Offenen Hörfunkkanal Jena e.V.
Wir danken den Stadtarchiven Jena, Weimar und Wiesbaden, dem Carl-Zeiss-Archiv, dem SCHOTT GlasMuseum & Archiv Jena und dem Archiv der Musikhochschule „Franz Liszt“ für die Erteilung präziser Auskünfte. Herr Dr. Jens Riederer (Stadtarchiv Weimar) und Herrn Dr. Wolfgang Wimmer (Carl-Zeiss-Archiv) danken wir, dass wir Fotos aus beiden Archiven für diesen Themenkomplex einstellen können. Ein besonders herzlicher Dank gilt den privaten Leihgeberinnen und Leihgebern Gertrud Durst, Christine Kattein und Harald Seiler für Fotos zu diesem Themenkomplex und besonders Herrn Peter Romstedt, der uns Zeichnungen, die sein Vater in den 1920er Jahren angefertigt hat, freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.
Herausgeber Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien Heinrich- Heine-Allee 2-4 99438 Bad Berka www.thillm.de www.schulportal-thueringen.de
Inhalt Der Themenkomplex über das „Alltagsleben in der Weimarer Republik“ umfasst den Zeitraum vom 11. August 1919, der Verabschiedung der Weimarer Verfassung bis zum 30. Januar 1933, der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler. Die „Inflation“ 1923 wurde ausgelassen und erscheint als eigenständiger Themenkomplex. In Erzählungen von sechs Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden folgende Erinnerungen festgehalten: die Wahrnehmung der Weimarer Nationalversammlung aus der Sicht eines siebenjährigen Kindes, die Schulzeit in der Reform-Real-Abteilung am Wilhelm-Ernst-Gymnasium in Weimar, Erfahrungen mit privatem Musikunterricht in Weimar; die schwere Arbeit als Glasmacher im Jenaer Glaswerk Schott & Genossen, das Verhältnis der Arbeiter untereinander im Jenaer Zeiss-Werk; Heimabende und Fahrten innerhalb der Ernst-Abbe-Jugend in Jena; der Erwerb des „Radioführerscheines“ 1925 und die Montage der ersten Radio-Antennen in Jena, Arbeitersport in Jena, Sportfeste in Deutschland und die Arbeiter-Olympiade in Wien 1931. Frau S. aus Weimar erzählt, dass ihre Tante, die Stenographin bei der Nationalversammlung war, sie in einer Beratungspause mit ins Weimarer Nationaltheater genommen und ihr ganz genau erklärt hat, auf welchen Bänken welche Abgeordneten sitzen und wie die Sitzungen vor sich gehen. Als sie nach Hause gekommen ist, hat die siebenjährige Ilse-Sibylle S. lange mit ihren Bären und Plüschtieren „Weimarer Nationalversammlung“ gespielt. Frau D. aus Weimar berichtet über ihre Erfahrungen in der Reform-Real-Abteilung des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar, vom privaten Musikunterricht, den sie erhielt, von ihren Fortschritten im Klavierspiel und davon, dass sie im Extrachor des Weimarer Nationaltheaters bei der Aufführung von großen Opern und Oratorien mitgesungen hat und zu Hause mit ihrer Cousine alle Opern nach dem Klavierauszug erarbeitet und alle Partien gesungen, einschließlich der Tenor-, Bariton- und Basspartien. Herr T. aus Jena schildert seinen Eintritt ins Jenaer Glaswerk 1922 und wie er sich vom Anfänger zum Glasmacher entwickelt hat und „Großzeug“ (zumeist große kugel- oder zylindrische Geräte, die in der chemischen und pharmazeutischen Industrie eingesetzt wurden) geblasen hat. Herr D. erzählt, wie er 1928 ins Jenaer Zeiss-Werk gekommen ist und wie das Verhältnis unter den Arbeitern war, die sich alle mit „Herr Kollege“ ansprachen, auch die Kollegen vom Metallarbeiterverband. Es war üblich, dass zwei Kollegen zusammenarbeiteten, in der Früh- und in der Nachmittagsschicht und sich den Verdienst teilten. Als er einmal Akkord gearbeitet und Qualitätsarbeit geleistet hatte, bot ihm sein Kollege, Herr N. das „Du“ an. Herr R. erinnert sich an seine Zeit in der „Ernst-Abbe-Jugend“. Das war die Jugendorganisation des Zeiss-Werkes. Er erzählt von Heimabenden im Heim der Abbe-Jugend am Landgrafenstieg, an selbständige Holz-und Metallarbeiten, an Vorträge und kleine Musikabende. Vor allem berichtet er über die Fahrten, die von der Abbe-Jugend organisiert waren und durch ganz Deutschland führten. Die Unterkunft in den Jugendherbergen kostete maximal 50 Pfennige und der Kilometer Eisenbahnfahrt 1 Pfennig, so dass vierzehntägige Reisen zum Preis von 60 Reichs-Mark möglich waren. Bereits als Schüler hatte Herr R. die Audion-Versuchserlaubnis, den „Radioführerschein“ erworben. Gemeinsam mit einem Mitschüler hat er geholfen, die ersten Antennen für den Radioempfang auf den Dächern von Jena zu installieren. Herr D. erzählt über den Arbeitersport, vor allem über die Arbeiter-Schwimmer, die in Jena vom Rasenmühlen-Wehr zum unteren Wehr geschwommen sind, hinter einem illuminierten Schiff und mit brennenden Kerzen auf den Schwimmkappen, er hat über die Arbeiter-Olympiade in Wien 1931 erzählt, an der 25 000 Arbeitersportler teilgenommen hatten. Und er berichtet über die Jenaer Arbeitersportvereine und einen Spielmannszug, bestehend aus 40 Trommlern und Pfeifern, der 1933, ohne dass sich die Spielleute wehren konnten, von der SA übernommen wurde.
Serienbeschreibung In der Serie "Zeitzeugen" kommen Personen zu Wort, die aus ihrem persönlichen Erleben berichten. Die originalen Schilderungen der Zeitzeugen werden dabei ggf. durch Begleitmaterial ergänzt.
Das Tonmaterial, aus dem die Beispiele entnommen sind, wurde in den Jahren 1993 bis 2001 aufgenommen. Innerhalb des Projektes „Erzählte Geschichte“, das im Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK e.V.) angesiedelt war, wurden innerhalb von acht Jahren biographische Interviews mit Pensionären der Zeiss- und Schott-Werke, mit Absolventen der ehemaligen Universitätsschule sowie mit Senioren in Weimar und Erfurt geführt. Der von ihnen erinnerte geschichtliche Zeitraum reicht vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur friedlichen Revolution 1989.
Anmerkungen
Handhabung Der Zusammenschnitt umfasst die Lebenserinnerungen der Zeitzeugen in folgender Reihenfolge: Ilse-Sibylle S., Friederlene D., Kurt T., Alfred D., Alfred S., Walter R., Friederlene D., Walter R. und Alfred D.
Fotos und ihre Quellen: Ilse-Sibylle S., Quelle: Stadtarchiv Weimar Friederlene D., Quelle: Stadtarchiv Weimar Kurt T., Quelle: privat Alfred D., Quelle: privat Alfred S., Quelle: privat Walter R., Quelle: Carl-Zeiss-Archiv Jena
Beide Zeichnungen/Bilder sind von Walter R. für den Leiter des Heimes der Ernst-Abbe Jugend und ersten Jugendherberge Jenas Dr. Walter Fränzel (1889-1968). Quelle: Peter Romstedt