Alltag im 20. Jahrhundert. Zeitzeugen aus Thüringen erzählen.
Kurzinhalt:
1952 beschloss die II. Parteikonferenz der SED den Aufbau der Grundlagen des Sozialismus. Dadurch erschien eine Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich. Das Lebensniveau in der DDR war gering. Die Reparationsleistungen an die Sowjetunion und die Schwerindustrie als Priorität bedingten große Engpässe in der Leicht- und Lebensmittelindustrie. Anfang Juni 1953 beschloss die DDR-Regierung eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10%. Damit war der Bogen überspannt. Am 16. Juni streikten die Bauarbeiter in der damaligen Stalin-Allee. Am 17. Juni kam es zu Streiks in allen größeren Städten und Betrieben der DDR. Zunächst wurden die Rücknahme der Normerhöhungen und gewerkschaftliche Freiheiten gefordert. Protestiert wurde gegen die SED-Führung und die DDR-Regierung. Später wurden die Zulassung weiterer politischer Parteien und die Wiedervereinigung Deutschlands gefordert. SED, Polizei und Staatssicherheitsdienst waren machtlos. Erst mit sowjetischen Panzern wurde der Aufstand niedergeschlagen.
- Geschichte -> Epochen -> Geschichte von 1945 bis 1990 -> Deutschland -> Deutsche Demokratische Republik 1949 - 1990
- Geschichte -> Landes- und Regionalgeschichte -> Regionalgeschichte, Lokalgeschichte
Produzent Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK, e.V.) Jena, vertreten durch Torsten Cott und Dietmar Ebert in Kooperation mit dem Offenen Hörfunkkanal Jena e.V.
Autor Torsten Eckold (Jena) und Geschichtswerkstatt Jena e.V.
Herausgeber Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien Heinrich- Heine-Allee 2-4 99438 Bad Berka www.thillm.de www.schulportal-thueringen.de
Inhalt Im Jahr 1952 wurde von der II. Parteikonferenz der SED der Aufbau der Grundlagen des Sozialismus beschlossen. Damit hatte die Parteiführung der SED einen Kurs beschlossen, der eine Wiedervereinigung Deutschlands in weiter Ferne, wenn nicht unmöglich erscheinen ließ. Im Gegensatz zur BRD, die durch den Marshall-Plan gestärkt wurde, war das Lebensniveau in der DDR geringer, die Kriegsfolgen waren noch immer stark spürbar. Durch die Zahlung der Reparationsleistungen an die Sowjetunion und eine Setzung der Prioritäten zugunsten der Schwerindustrie kam es zu erheblichen Engpässen in der Leicht-und Lebensmittelindustrie. Anfang Juni 1953 beschloss die Regierung der DDR eine Erhöhung der Arbeitsnormen um 10%. Damit hatte sie den Bogen überspannt, und auch eine kurzfristige Zurücknahme der Normerhöhungen kam zu spät. Am 16. Juni 1953 streikten die Bauarbeiter in der damaligen Stalin-Allee. Vor allem über den RIAS erfuhren davon die Menschen in Ost-und Westdeutschland. Am 17. Juni 1953 kam es zu Streiks in allen größeren Städten und Betrieben der DDR. Zunächst wurde gefordert, die Normerhöhungen zurückzunehmen und gewerkschaftliche Freiheiten zuzulassen. Die Proteste richteten sich gegen die engstirnige Politik der SED-Führung und der DDR-Regierung. Bald darauf wurden die Zulassung aller in der BRD vertretenen politischen Parteien und die Wiedervereinigung Deutschlands gefordert. SED, Polizei und Staatssicherheitsdienst waren machtlos. Erst durch den Einsatz sowjetischer Panzer wurde im Laufe des 17. Juni der Aufstand niedergeschlagen. Die Namen von 55 Menschen, die nach dem 17. Juni 1953 ihr Leben verloren, sind bekannt; aus Jena war es Alfred Diener, der in Weimar standrechtlich erschossen wurde. Etwa 20 weitere Todesfälle sind ungeklärt. Von der Vielzahl der Verhafteten wurden zwei zum Tode verurteilt, 3 zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe, 99 zu einer Zuchthausstrafe von 5 bis 10 Jahren, 824 zu einer Haftstrafe zwischen 1 und 5 Jahren, 546 zu einer Haftstrafe unter einem Jahr und 39 der Angeklagten wurden freigesprochen. Durch den Protest der arbeitenden Menschen kam es durch SED-Führung und Regierung der DDR zu einer kurzzeitigen Lockerung, doch allmählich, vor allem nach dem Volksaufstand in Ungarn, kam es wieder zu einem starren politischen Kurs, der im Bau der Berliner Mauer kulminierte. Alle Zeitzeugen, die in diesem Themenkomplex über den Verlauf des 17. Juni, die Tage vorher und nachher in Jena berichten, waren Augenzeugen der Ereignisse am 17. Juni 1953 in Jena. Sie berichten über das, was sie am 16. Juni 1953 im Radio gehört haben, über die Stimmung in der Straßenbahn am Morgen des 17. Juni 1953, wie Hans-Joachim P., über das Sich-Formieren der Demonstrationszüge und die Forderungen der Streikenden wie Ulrich E. und Klaus H.; über den Protest der Streikenden gegenüber der SED-Kreisleitung, das Hinauswerfen von Papieren, Schreibmaschinen u.a. wie Achim H. und Ulrich E., über den Einsatz sowjetischer Panzer wie Hans-Joachim P. und Klaus H., über das Läuten der Glocken der Stadtkirche St. Michael, wie Klaus H., und der katholischen Kirche St. Johann Baptiste, wie Winfried S., die Erstürmung des Gefängnisses und die Befreiung der Gefangenen, wie Hans H. Sie berichten über die Niederschlagung des Aufstandes und die Folgen für das Alltagsleben wie Roselore W., Peter R. und Ulrich E. Für Klaus H. war der 17. Juni 1953 ein Schicksalstag, der bestimmend für sein weiteres Leben wurde. Er und alle anderen Zeitzeugen beschreiben den 17. Juni 1953 als Arbeiteraufstand, als Massenprotest. Das zuzugeben hat die SED nie über sich gebracht. Bis zum Ende der DDR blieb der 17. Juni 1953 in der Sicht der SED-Führung und der DDR-Regierung ein vom Westen inszenierter Putschversuch. Auch wenn durch die Informationen des RIAS sich die Kunde über die Ereignisse am 16. und 17. Juni schnell über das ganze Land verbreiteten, die Ursachen lagen eindeutig in einer regiden, undemokratischen Politik der DDR-Regierung und ihrer Weigerung, Fehler einzugestehen.
Serienbeschreibung In der Serie "Zeitzeugen" kommen Personen zu Wort, die aus ihrem persönlichen Erleben berichten. Die originalen Schilderungen der Zeitzeugen werden dabei ggf. durch Begleitmaterial ergänzt.
Das Tonmaterial, aus dem die Beispiele entnommen sind, wurde in den Jahren 1993 bis 2001 aufgenommen. Innerhalb des Projektes „Erzählte Geschichte“, das im Verein für Kunst, Kultur und Kommunikation (KuKuK e.V.) angesiedelt war, wurden innerhalb von acht Jahren biographische Interviews mit Pensionären der Zeiss- und Schott-Werke, mit Absolventen der ehemaligen Universitätsschule sowie mit Senioren in Weimar und Erfurt geführt. Der von ihnen erinnerte geschichtliche Zeitraum reicht vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur friedlichen Revolution 1989.
Anmerkungen
Didaktische Anmerkungen Projektinformation zum vorliegenden Themenkomplex:
Die Interviews mit den Protagonisten zum Thema „Der 17. Juni 1953 in Jena“ wurden von Torsten Eckold und Daniel Börner (Gesprächsführung) in den Jahren 2013 und 2014 geführt. Im Auftrag mit der Geschichtswerkstatt Jena e.V. entstand daraus der Film „Der 17. Juni 1953 in Jena – Skizzen eines Aufstands“, der am 17. Juni 2014 im großen Saal des Kinos „Schillerhof“ Premiere hatte. Um den Themenkomplex „Der 17. Juni 1953 in Jena“ den anderen Themenkomplexen anzugleichen, wurde lediglich die Tonspur benutzt. Aufbau und Methodik sind identisch mit allen anderen Themenkomplexen. Die Urheberrechte am Material liegen bei Torsten Eckold (Jena) und der Geschichtswerkstatt Jena e.V. Inhaber der Fotorechte ist Torsten Eckold.
Handhabung Im Zusammenschnitt hören Sie die Zeitzeugen in folgender Reihenfolge: Prof. Dr. Winfried S. I; Prof. Dr. Winfried S. II; Klaus H. I; Hans-Joachim P. I; Ulrich E. I; Achim H.; Ulrich E. II.; Klaus H. II; Prof. Dr. Winfried S. III; Dr. Hans-Joachim B.; Prof. Dr. Hans H.; Hans-Joachim P. II; Klaus H. III; Dr. Roselore W. I; Hans-Joachim P. III; Dr. habil. Peter R.; Ulrich E. III; Klaus H. IV.; Klaus H. V.; Dr. Roselore W. II.
Unser herzlicher Dank gilt allen Zeitzeugen, die über ihre Erlebnisse im Vorfeld, am 17. Juni 1953 selbst und in den darauffolgenden Tagen und Monaten erzählt haben. Wir danken dem Historiker Daniel Börner für die Gesprächsführung bei den Interviews und dem Filmemacher Torsten Eckold für die Aufnahme und den Schnitt der Interviews sowie für umfangreiche Recherchearbeit. Ein herzliches Dankeschön geht an den Vorsitzenden der Geschichtswerkstatt Jena e.V., Dr. Henning Pietsch, für seine Kooperationsbereitschaft und Zusammenarbeit.