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Lernorte und Bildungsplan

Lernorte und Bildungsplan

Lernorte aus Sicht des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 10 Jahre (TBP-10)

"Die tätige Auseinandersetzung mit der Welt, die Aneignung durch Erfahrungen, die das Kind in ihr macht, und die Anregungen, die es erhält, sind nicht an Personen, Orte oder Institutionen gebunden. Erfahrungen können zu jeder Zeit, an jedem Ort und bei jeder Gelegenheit gemacht werden." ((1), S. 18)

Das vorgenannte Zitat macht deutlich, dass im Kontext der Bildung bis 10 Jahre in Thüringen "alle Orte und Situationen, in denen Kinder sich aufhalten, Lernorte sind: die Wohnung, in der das Kind wohnt, die Arztpraxis, die es manchmal aufsucht, die Geschäfte, in denen die Familie einkauft, Freitzeiteinrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel usw." ((1), S. 34)

Der TBP-10 entfaltet damit ein (aktuelles) Bild vom Kind, welches sich aktiv forschend den Sinn und Aufbau der Welt erschließen will. Beim aktiven Aufbau des Wissens, in der subjektiven Konstruktion seines Wissens, will das Kind Antworten auf seine vielen Fragen finden, will immer neue Fragen stellen und will dabei ernst genommen und unterstützt werden. Die Ausgangsperspektive des TBP-10 ist das von Beginn seines Lebens mit Neugier und Wissensdrang ausgerüstete Kind. Es will die Welt, das Leben und die vielfältigen Zusammenhänge, die diese ihm täglich bieten, kennenlernen und verstehen.

Der  TBP-10 bietet den Pädagogen verschiedene Modelle, mit deren Hilfe sie ihre Tätigkeit und den Fortgang der subjektiven Bildungsprozesse der Kinder reflektieren und unterstützen können. Im Kontext dieser Ausführungen ist vorrangig das Modell der Bildungswelten von Bedeutung, welches deshalb hier eine kurze Erwähnung finden soll. Im Thüringer Bildungsplan selbst sind zwei weitere zentrale Modelle beschrieben.

Das Modell der Bildungswelten

Einer der vorrangigen Ansprüche des TBP-10 an die Pädagogen liegt in der Gestaltung von ganzheitlichen, aber auch ganztägigen Bildungsprozessen. Hilfestellung für die tägliche Umsetzung dieses Anspruchs liefert der Thüringer Bildungsplan mit dem Modell der Bildungswelten.

Informelle Bildung

Mit dem Begriff der informellen Bildung sind alle Bildungsgelegenheiten gemeint, die sich dem Kind ständig und immer wieder bieten, ohne dass sie in irgendeiner Weise (von Pädagogen) vorstrukturiert oder bewusst geplant werden. Für das Kind wird damit nahezu jede Situation in seinem täglichen Leben zu einer Bildungsgelegenheit, denn es hat das Ziel, sich die Welt aktiv zu erschließen und anzueignen. So kann z. B. die Situation des Zähneputzens eine Situation der sprachlichen und schriftsprachlichen Bildung  sein, wenn das Kind versucht, die Marke der Zahnpasta zu lesen oder die Buchstaben erforscht oder wenn es versucht mit Zahnbürste und Schaum im Mund zu sprechen oder zu gurgeln.
Wichtig für den Pädagogen ist es, genau dies wahrzunehmen, zu reflektieren und dem Kind in diesem Moment auch die entsprechende Zeit dafür zur Verfügung zu stellen, Fragen zu beantworten oder Experimente zuzulassen. Aus informellen Bildungsprozessen können sich zudem auch Themen ableiten oder offenbaren, die dann in nonformalen oder formalen Bildungsprozessen weiter bearbeitet werden können.

Nonformale Bildung

Wenn Kinder dagegen neue Erfahrungen in einem vorstrukturierten Rahmen sammeln, den sie aber nach ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen nutzen, dann spricht man in der Sprache des TBP-10 von nonformalen Bildungsprozessen. Es handelt sich dabei also nicht um verbindlich geplante und strukturierte Angebote, so dass also auch keine negativen Konsequenzen für die Kinder entstehen können, wenn sie die Angebote nicht nutzen möchten. Da die Kindertageseinrichtung selbst schon vorstrukturiert ist, gilt sie also als nonformale Bildungswelt, ähnlich wie Schule, Heim etc. Andere nonformale Lern- und Bildungsorte sind beispielsweise Museen, Tierparks, Konzerte, Ausstellungen, Feste etc.

Zu beachten ist, dass innerhalb dieser nonformalen Bildungswelten immer auch informelle Bildungsprozesse ablaufen, mit denen entsprechend umgegangen werden sollte (siehe oben).

Formale Bildung

Wenn Kinder hingegen in einem verbindlich geplanten, d. h. in einem klar strukturierten Rahmen (z. B. Schule und Unterricht) lernen, indem ihre Leistung zugleich einer normativen Bewertung unterzogen wird, dann spricht man von formalen Bildungsprozessen. Es kann damit also auch zu negativen Konsequenzen für die Kinder kommen, wenn sie die Angebote nicht nutzen möchten oder das Ergebnis des Lern- und Bildungsprozesses nicht den vorgegebenen Normen entspricht.

Weiterhin finden auch in formalen Bildungswelten Prozesse mit informellem und nonformalem Charakter statt, die in der pädagogischen Arbeit entsprechend berücksichtigt werden müssen. Informell ist alles das, was Kinder nebenbei von Unterricht in der Schule eben auch lernen, wenn sie z. B. in der Pause beim Buddeln im Sandkasten Regenwürmer entdecken und diese beobachten. Nonformal sind z. B. die außerunterrichtlichen, vorstrukturierten Angebote, wie zum Beispiel die Mitarbeit in Arbeitsgemeinschaften oder aber auch das eigenständige Nutzen von Spielgeräten, mit dem Ziel endlich auch die oberste Stufe des Klettergerüstes erreichen zu können.

Fazit

Auch wenn in Abhängigkeit des jeweiligen gesellschaftlichen Auftrages von pädagogischen Institutionen die eine oder andere Form der Bildung ein größeres Gewicht einnimmt, so ist zu beachten, dass Bildung immer stattfindet, auch dann wenn der Bildungsprozess nicht vom Pädagogen geplant und strukturiert ist. Letztendlich entscheidet das Kind, welcher Lebensort auch tatsächlich zu seinem jeweiligen LERNort wird und zwar mit seinen Interessen, Vorlieben und Schwerpunktsetzungen. Was das einzelne Kind in der jeweiligen Situation lernt, ist von außen nicht vorhersehbar und lässt sich ebenso wenig von außen festlegen. Der Pädagoge kann die Lernprozesse unterstützen und weiter anregen, er kann Themen und Gelegenheiten anbieten, aber was das Kind aus diesen Situationen für sich persönlich mitnimmt oder nicht, entzieht sich jeglicher pädagogischer Einflussnahme. Aus der Perspektive des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 10 Jahre sind prinzipiell alle LEBENSorte auch LERNorte. Diese Philosophie ist den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung von Beginn an eigen, denn Fröbel hat bewusst den Begriff KinderGARTEN gewählt, um seine Philosophie der ganzheitlichen Bildung auch begrifflich auszudrücken.

Der TBP-10 entfaltet implizit also auch ein (aktuelles) Bild der Pädagogen. Wenn diese nämlich Bildungsprozesse für Kinder entsprechend der Ziele des Bildungsplans initiieren und gestalten, dann werden sie eine andere als die traditionelle Rolle einnehmen. Sie werden zum Lernbegleiter, Unterstützer, Beobachter und zum Ko-Konstrukteur des Wissens. Gemeinsam mit den Kindern gestalten sie Bildungsprozesse, gemeinsam mit den Kindern ko-konstruieren sie Wissen und Wirklichkeit im gemeinsamen Austausch, Forschen, Experimentieren etc.. Beide, der Pädagoge und das Kind, werden aktiv und sind gemeinsam an Bildungsprozessen beteiligt. Und in diese gemeinsamen Bildungsprozesse können beide nur dann eintauchen, wenn sie die vielfältigen Gelegenheiten, die ihnen das Leben bietet, auch tatsächlich nutzen, ob inner- oder außerschulisch, ob inner- oder außerhalb des Kindergartens.

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Ansprechpartner

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Katrin Zwolinski
Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien
Heinrich-Heine-Allee 2-4
99438 Bad Berka

E-Mail
Telefon: 036458 56-289
Telefax: 036458 56-300

Quellen

Quellen

(1) Thüringer Kultusministerium (Hrsg.): Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre. Erfurt 2008