Sicher wird diese Sammlung von 44 "Wende"-biographien auf breites Interesse in der Öffentlichkeit stoßen, denn auch 15 Jahre danach ist für alle Betroffenen die Aufarbeitung der mit den politischen Ereignissen von 1989 verbundenen Umwälzungen noch in vollem Gange. So werden Biographien anderer für den Leser zum Anlass vergleichender Betrachtungen mit der eigenen Erfahrung, denn die thematische Klammer aller Einzelbeiträge ist ja auch sein Thema. Für die derzeitige Schülergeneration sind die Wende und Wiedervereinigung in ihren Wirkungen einerseits noch laufender Prozess, andererseits als Ereignis aber schon Geschichte und dementsprechend im Unterricht so zu behandeln. Also ergibt sich automatisch ein stofflicher Lehrplanbezug für die Fächer Geschichte, Ethik und Sozialkunde in der Regelschule sowie für Geschichte und Ethik im Gymnasium hinsichtlich aller Betrachtungen zur Zeitgeschichte, zu ethischen und politischen Grundwerten, zum Demokratieverständnis usw. Auf explizite Hinweise zu
Adressaten:
Allgemeinbildende Schule,
Berufsbildende Schule,
Kinder- und Jugendbildung,
Lehrerfort-und-weiterbildung
Sachgebiete:
- Geschichte -> Epochen -> Geschichte von 1945 bis 1990 -> Deutschland -> Deutsche Demokratische Republik 1949 - 1990
Inhalt aus dem Vorwort von Bernd Schreier, Direktor des Thillm 2004
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, Menschen sind Akteure auf der Bühne des Lebens. Wenn sich von einem Akt zum anderen das Bühnenbild ändert, das Szenario der Inszenierung sich wandelt und andere Rollentexte zur Grundlage gemacht werden – wie handeln dann die Akteure? Was ändert sich? Was bleibt? Was erhält nur einen neuen Anstrich? Wie erleben Akteure diese Situation der Veränderung? Wie denken sie über sich? Zu welchen Wertungen kommen Sie? Das Leben neu zu bestimmen und zu leben, in einer Phase der grundlegenden gesellschaftspolitischenWende des Jahres 1989, ist eine große Herausforderung für jeden einzelnen gewesen und ist es noch. Besonders schwierig ist es, in zeitlicher Nähe, im laufenden Prozess, ehrlich über sich nachzudenken und nachzufühlen, in eine gewisse Distanz von sich zu gehen und dann etwas über sich in Sprache zu fassen und zu Papier zu bringen. Und für die Leserinnen und Leser die subjektive Ehrlichkeit fühlbar und verstehbar zu machen. Es ist daher keine Pflichtübung, sondern mein besonderes Anliegen, mich bei allen Autorinnen und Autoren der Texte herzlich zu bedanken, für Ihre Anstrengungen und Ihre Bereitschaft, viel von sich und dem eigenen Leben preiszugeben und ein Bild zu entwickeln, das nacherlebbar ist. Das Vorhaben ist Bestandteil einer grundlegenden Arbeitslinie des ThILLM, die Auseinandersetzung mit der jüngeren und jüngsten Geschichte durch die Schule zu fördern und einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten. Es ist wichtig für Schüler und Lehrer zu sehen, dass man sich öffentlich klar positionieren, seine subjektive Wahrheit sagen und zu ihr stehen kann. Die einzelnen Beiträge verdeutlichen, dass das Leben nicht einfach in wenige Kategorien zusammenzufassen ist, beschriftet und abgelegt werden kann. Jedes Leben ist einzigartig und wertvoll, und es ist gerechtfertigt, es in seinen einzelnen Abschnitten festzuhalten und darzustellen. Naturgemäß ist die Auswahl der Autoren zahlenmäßig begrenzt; noch viele andere hätten wichtige und eindrucksvolle Zeitzeugnisse und Einschätzungen verfassen können. Für die Schule können die Beiträge nicht nur eine Anregung zum Nachlesen sein, sondern auch Aufforderung zum Nachdenken über sich selbst. Die Veröffentlichung soll Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler ermutigen, sich mit dem „woher“ genauso wie mit dem „wohin“ des eigenen Lebens in der Gesellschaft auseinander zu setzen.Wer in die Zukunft gehen will, muss wissen, woher er kommt; wer verantwortlich und selbstbewusst nach vorn gehen will, muss sich mit der eigenen, mit der persönlichen Geschichte, mit seinen Entscheidungen, dafür oder dagegen, auch mit seinen Kompromissen und Widersprüchlichkeiten auseinandersetzen. Nur dann wird er klar, realistisch und bescheiden handeln, kein Getriebener von Entwicklungen sein, selbstbewusstsein und Selbständigkeit in ihremWert spüren. Es geht bei der Arbeitslinie des ThILLM aber nicht nur um die Dimension der Auseinandersetzung mit der jüngeren und jüngsten Geschichte, zu der zahlreiche Veröffentlichungen, etwa zum Volksaufstand 1953; zum Aufbau der innerdeutschen Grenze 1961 und den Folgen der Zwangsvertreibung; zu den Aktivitäten der Staatssicherheitsbehörden der DDR auch in der Schule – beigetragen haben. Es geht bei den vergangenen und jetzigen Vorhaben besonders um die Betonung der Oral History, der erzählten Geschichte, und der Rolle von Zeitzeugen. Nicht nur die Auseinandersetzung mit Texten, sondern mit wirklichen Menschen ist für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen von entscheidender, von prägender Bedeutung. Es ist wichtig für die Kinder und Jugendlichen, Menschen kennen zu lernen, die bereit sind, über ihre Geschichte und damit über ihr Leben zu sprechen und die sichtbar machen, dass persönliche Entscheidungen getroffen werden können, dass man handeln kann und nicht abwarten muss, was andere mit einem tun.
Serienbeschreibung Die Reihe “Materialien” wird vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien im Auftrag des Thüringer Kultusministeriums herausgegeben, sie stellt jedoch keine verbindliche, amtliche Verlautbarung des Kultusministeriums dar. Dem Freistaat Thüringen, vertreten durch das ThILLM, sind alle Rechte der Veröffentlichung, Verbreitung, Übersetzung und auch die Einspeicherung und Ausgabe in Datenbanken vorbehalten. Die Herstellung von Kopien in Auszügen zur Verwendung an Thüringer Bildungseinrichtungen, insbesondere für Unterrichtszwecke, ist gestattet.